Zwei Begegnungen, beide in sehr freundlichem Umgangston, beide machen mich nachdenklich.
Im Zug
Ich glaubte anfangs, dass ich trotz Klimaticket eine Fahrkarte für die konkrete Strecke lösen müsse. Die ÖBB-App zeigte beim Kauf Graz -Wien € 0,- an, ich war zufrieden. Im Zug wurde der QR-Code vom Ticket und vom Klimaticket gescannt.
„Ich brauch‘ noch die Vorteilscard!“
Ich schaute überrascht auf. Ich hatte zwar noch die alte Vorteilscard, die erst am Auslaufen war, doch bei einem € 0,- Ticket und der Klimakarte war mir das Vorweisen einer Ermäßigungskarte nicht schlüssig.
„Wirklich?“
„Ja!“
„Okay, ich hab‘ sie dabei, aber Sinn macht das keinen, das sehen Sie schon, oder?“
Der Zugbegleiter hielt kurz inne, zog dann ein verlegenes Lächeln auf und zuckte leicht mit den Schultern.
„Ja, nicht wirklich, aber das System verlangt es.“
Resignierend hielt ich ihm meine Vorteilscard hin und dachte mir, dass es Zeit wird, dass wir wieder eigenständig denken und danach handeln.
Im Bus
Bei einer Wiener Linien-Kontrolle, nach Vorweis meines Klimatickets.
„Zeigen Sie mir bitte Ihre Maskenbefreiung?“
„Hab‘ ich keine.“
„Haben Sie eine Maske?“
„Ja.“
„Warum tragen Sie dann keine?“
„Weil ich gerne Luft kriege.“
„Ja das würden wir alle gerne.“
„Es macht einfach so gar keinen Sinn.“
„Ja find‘ ich auch, aber es hilft nix. Es wär‘ auch unfair den anderen Fahrgästen gegenüber, die eine tragen.“
„Vielleicht wäre es an der Zeit wieder selbst zu denken.“
“Was hat das mit Denken zu tun? Es ist so. Das tät jetzt € 50,- kosten.“
„Danke für den Hinweis!“
Resignierend holte ich die Maske aus der Tasche und setzte sie auf, und dachte mir, dass es Zeit wird, dass wir wieder eigenständig denken und danach handeln.
Ich weiß „Äpfel und Birnen“, und doch zeigen beide Gegebenheiten auf, was mich irritiert: das scheinbar automatische Befolgen von Vorgaben. Wo ist der kritische Geist oder auch nur der Alltagsverstand hin, der es uns Menschen grundsätzlich ermöglicht, Situationen einzuschätzen, gezielt Entscheidungen zu treffen und uns entsprechend zu verhalten? So viele merken doch schon z.B., dass diese C-Maßnahmen keinen Sinn ergeben, ja sie schimpfen darüber und sitzen trotzdem im Sommer mit der Maske im halbleeren Bus. Es bedarf für die Verordnungen inzwischen nicht einmal mehr einer vernünftigen Erklärung. Selbst als „Erziehungsmaßnahme“ tituliert, werden sie eingehalten. Es hat sich ein gedankenloser Gehorsam eingeschlichen, den ich misstrauisch beobachte.
In meiner Kindheit/Jugendzeit wurde mir Eigenverantwortung u.a. mit dieser Frage vermittelt: „Nur wenn alle von der Brücke springen, springst dann auch?“ – „Nein, tu‘ ich nicht!“ Das war damals auch die „richtige“ Antwort. Und heute? Ich nehme die Tendenz wahr, dass sehr viele Leute einfach nachspringen. Mir ist bange bei der Vorstellung, was sie noch alles tun, nur weil es ihnen verordnet wird, unabhängig von einer überzeugenden Begründung, losgelöst von jeglicher individueller Abschätzung aus dem gegebenen Kontext. Ja da ist mir bange. Denn eigentlich müssten jetzt schon viel mehr Menschen den Gehorsam verweigern. Die Maßnahmen und ihr Regelwerk sind eine Provokation für jeden mitdenkenden, mündigen Menschen. Es ist Zeit aus dem unreflektierten Ausführungsmodus auszusteigen. Höchste Zeit!
P.S.: und es wird noch irrsinniger: Die Wiener Stadtregierung verordnet, entgegen der Bundesregelung, weiterhin die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit Einfahrt über die Stadtgrenze muss im Zug die Maske aufgesetzt werden, eine Durchsage oder die Zugbegleiter:innen machen darauf aufmerksam (Quelle ORF Wien Zugriff 4.6.2022). Und ich traue meinen Augen nicht, 95 % der Fahrgäste in den Öffis tragen Maske. Warum? Ich finde das schaurig!