Himatsubushi

Nein, das ist kein Auto, es ist auch kein Gruß. Es ist was ganz Feines.
Es ist nämlich das, was du mit geschenkter Zeit machen kannst. Mit jener Zeit, die dir in den Schoß fällt. Eine Zeit, die du nicht verplant hast, weil du gar nicht wusstest, dass sie dir „übrig bleiben“ wird.

Der japanische Begriff „Hima“ bezeichnet die Zeit, in der nichts zu tun ist. Eine Zeit, die nicht effektiv genutzt werden muss. „Himatsubushi“ beschreibt das spielerische Verbringen dieser Zeit, eigentlich wörtlich „Zerquetschen der Zeit“. Ähnlich brutal zu unserem „Zeit totschlagen“ oder „killing time“ und doch wird der Begriff in Japan spielerisch, lustvoll interpretiert.(*) Das hat mich angesprochen und herausgefordert. Denn ich stellte mir die Frage, wie ich ein solches Zeitgeschenk annehme. Freu ich mich, dass ich noch mehr erledigen kann an diesem Tag oder schaff ich es, mich an dieser vom Himmel gefallenen Zeit als solche zu erfreuen?

Ich nenne es für mich „Zeitbaden“, in Anlehnung an „Waldbaden“, „Shinrin Yoku“, ebenso ein Begriff aus dem Japanischen und derzeit en vogue. Und überhaupt, Baden ist etwas Entspannendes. Ich tauche also ab in die Absichtslosigkeit. Ich fahre mich aus dem Erledigungsmodus herunter. Ich steige aus der Produktivitätsspur. Ich bin still. Ich starre dabei vielleicht in die Luft. Vielleicht schlendere ich ziellos umher. Vielleicht lass ich mich in meine Träume absinken. Vielleicht erhöht sich meine Aufmerksamkeit auf Details und ich beobachte ein Blatt, das auf seiner Kante über die Wiese kullert. Vielleicht lächle ich in das Sonnenlicht. Vielleicht mach ich tatsächlich gar nichts. Vielleicht gelingt mir das.

Was würdest denn du machen mit, sagen wir, einer Stunde geschenkter Zeit?

 

(*) diese Erklärungen und Übersetzungen von „Hima“ und „Himatsubushi“ habe ich aus dem Magazin „Welt der Frauen“ 01/02 2019

2 Gedanken zu „Himatsubushi

  1. Karin Antworten

    Kam mir gerade unter und passt ganz gut 🙂

    In meinem wilden Herzen
    („Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben“)

    Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
    Sie zu halten, wäre das Problem.
    Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
    wo ein endlich Sein in alledem? –

    Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
    jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
    Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
    und das willig Liegende verschwimmt –

    Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; –
    aber auch in ihnen flimmert Zeit.
    Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
    obdachlos die Unvergänglichkeit.
    Rainer Maria Rilke

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